Krimimuseum

Mörder und Halunken in Tausenden von Büchern

In Jever lockt ein neues Krimimuseum. Nicht nur mit mehr als 8000 Büchern aus vielen Jahrzehnten, sondern auch mit einem Sammler und Literaturkenner, der überaus unterhaltsame Führungen durch sein Museum anbietet. Und einmal in der Woche auch spannende Lesungen.

Krimimuseum

Für Krimifans – oder überhaupt Liebhaber des gedruckten Wortes – gibt es in Jever seit diesem Jahr ein ganz besonderes Angebot: Der Jeveraner Mirko Schädel besitzt die bundesweit größte Sammlung an Kriminalliteratur, sie zählt um die 8600 Bücher und umfasst Literatur von etwa 1700 bis 1945. Jetzt hat er sie in einem Museum zusammengefasst. Wer will, kann hier einiges lernen über Morde, Diebe und Gauner, und wie sie früher für Schaudern, Gruseln und Rätseln sorgten. Das Museum verspricht eine Reise in die literarische Unterwelt. Und zwar jenseits populärer Krimis.

Denn wer kennt schon Frank Heller? Immerhin der erste erfolgreiche schwedische Krimiautor, eine Art Vorläufer von Henning Mankell, Stieg Larsson und Arne Dahl. Heller lebte und schrieb schon um die vorletzte Jahrhundertwende. „Seine Bücher sind witzig, intelligent und ironisch“, sagt dazu Mirko Schädel, der Heller natürlich kennt. Seine erste Begegnung mit den Büchern des Schweden liegt lange zurück: Ein Schüler sei er noch gewesen, berichtet der heute 55-Jährige, als er die Bücher von Heller aus dem Schrank seiner Oma zog und anfing, sie durchzuschmökern. 
Aus der ersten Begegnung mit älteren Krimis wurde wachsendes Interesse, ein Suchen und Stöbern nach mehr und schließlich eine ausgewachsene Sammelleidenschaft. Das Ergebnis ist die mit Abstand größte Sammlung dieser Art in Deutschland, sagt Schädel, und zu sehen ist sie in seiner Heimatstadt Jever, gleich gegenüber der Kirche. Ein Blick in die Unterwelt früherer Jahrhunderte: Grusel, Schaudern, Entsetzen, Spannung – was die Leser früher faszinierte, reizt sie noch heute. Auch wenn die Geschichten und Helden heute moderner sind, die Schreibstile völlig anders, die Lesegewohnheiten verändert.

Der Sammler

Mirko Schädel ist gelernter Schriftsetzer und hat anschließend jahrzehntelang als Grafiker gearbeitet, die meiste Zeit bei Gruner und Jahr in Hamburg. Ohne den Sammler Schädel ist das Museum kaum zu verstehen, im Grunde hat es seinen Ursprung sogar im Haus der Großmutter. Wo Frank Heller im Bücherschrank stand. „Ich war natürlich zu klein, um das alles richtig zu verstehen, aber die Bücher haben eine Welt in mir geschaffen, die mir gefallen hat“, sagt der Sammler bei einem Besuch in seinem Krimimuseum. Er habe sich eben gut unterhalten gefühlt. Es blieb nicht bei Heller. Es folgten Kafka, Faulkner, Dostojewski, alles schon als Teenager verschlungen. „Lesen ist eine Kulturtechnik, die man auch trainieren kann“, sagt er dazu.
Aber eigentlich lief dann doch alles auf die Kriminalliteratur hinaus. Keine moderne, wohlgemerkt, sondern alte, die frühere Gesellschaften und Lebenswelten widerspiegelt. Moderne Krimis, sagt Schädel selbst, kenne er gar nicht. Beim Zug durch die Antiquariate stieß er oft auf Ablehnung, so etwas führe man nicht, hieß es dann, manchmal gab es vielleicht ein paar Edgar-Wallace-Ausgaben. „Diese Ignoranz, das hat mich geärgert“, sagt er. Und weil ihn offenbar auch eine gewisse Hartnäckigkeit auszeichnet, suchte er und suchte, er fand dies und das, bei anderen Sammlern oder auch in Adels- und Schlossbibliotheken. Und er fackelte nicht lang, zog das mitgebrachte Bargeld aus der Jackentasche und kaufte. Das geht schon seit Jahrzehnten so. „Ich bin Krimisammler geworden, weil ich mir das auch aneignen wollte“, erklärt er.

Das Museum

Im vergangenen Jahr zog Schädel zurück in seine Heimatstadt und machte sich auf die Suche nach einem Ort für sein Krimimuseum. Er wurde fündig in den Räumen einer ehemaligen Keramikwerkstatt im Zentrum von Jever, wo nun der Großteil seiner Bücher steht, in Vitrinen und alten Schrankwänden. Anfassen darf man sie nicht und kaufen kann man sie schon mal gar nicht. Man kann aber einiges lernen über die deutschsprachige Kriminalliteratur, über deren Moden und Trends, und sicher auch über die gesellschaftlichen Verhältnisse, die dieses bestimmte Literaturgenre hervorbrachte. Wer will nicht gern wissen, was es mit dem „Klub der Selbstmörder“ auf sich hat oder mit Ethel King, einer frühen weiblichen Version von Sherlock Holmes?
Schädel bietet dazu jeden Nachmittag drei Führungen an, um 14:30 Uhr, um 16 Uhr und um 17:30 Uhr. Das Museum am Kirchplatz in Jever ist jeden Tag von 14 bis 18:30 Uhr geöffnet, vormittags ist das Haus geschlossen. Man kann bei diesen Führungen übrigens auch etwas lernen über das Leben eines Sammlers, der eigensinnig und hartnäckig seine Beute sucht und findet. Schädel erzählt überaus unterhaltsam Anekdoten aus seiner mehr als 30-jährigen Sammelleidenschaft. Und er ist ein guter Vorleser. An Samstagnachmittagen bietet er meist eine Lesung an, aus einem seiner Bücher. Das muss nicht immer eine Kriminalgeschichte sein, ist es aber oft-

Text und Foto Imke Oltmanns

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